Zum 50sten schrieb Dora Schwarz eine Chronik, und heute nach 85 Jahren, ist es an der Zeit sie zu ergänzen.
Als 1931 unsere Kolonie gegründet wurde, war hier nur eine sehr sumpfige Wiese. Damals gehörte Eidelstedt noch nicht zu Hamburg. Erst als 1937 das Groß Hamburg Gesetz erlassen wurde, ist Eidelstedt ein Vorort von Hamburg geworden. 1931 war diese Ecke von Eidelstedt noch sehr bäuerlich geprägt.
Jetzt musste die sumpfige Wiese erst einmal als Gelände für einen Kleinsiedler hergerichtet werden. Eine Mammut Aufgabe. Zu Anfang waren wir eben noch keine Kleingärtner, sondern Kleinsiedler.
Schon zu der Zeit wurde der Name Waldfrieden und Kleine Waldecke für uns geboren. Eben weil die Lage so direkt in der Natur diese Namensfindung nahelegte. Zumal nicht nur sprichwörtlich sich hier Fuchs und Hase gute Nacht sagten. Also eine Oase der Ruhe und Beschaulichkeit. Wo Hamburger ihre Ausflüge gemacht haben. In dem Kaffee Waldeslust an der Ecke Vogt Köln Str. gleich nebenan war der Wahlspruch, hier können Familien Kaffee kochen.
Wer heute so durch unsere Kolonie geht, kann nicht ermessen, wie viel Mühe und Schweiß geflossen ist, um diese unsere Idylle, so wie wir sie heute sehen, zu erstellen.
Da packte jeder mit an, ohne murren, ohne zu sagen ich habe aber meine Gemeinschaftsarbeit schon geleistet.
Damals waren wir noch Schreber und keine Kleingärtner.
Damals hieß es organisieren, wo bekomme ich Bretter für meine Laube, oder wo bekomme ich Nägel her. So wie heute, mal eben zum Baumarkt gehen, das konnte man nicht. Natürlich konnte jeder Bretter und Nägel kaufen. Nur das nötige Geld dafür war sehr knapp. Und Typenlaube gab es auch noch nicht. Man musste sich vieles vom Munde absparen.
Und doch wurde es ein Platz, wo man sich Gemüse für den täglichen Gebrauch anbaute und auch einmal mal die Seele baumeln lassen konnte. Der Gemeinschaftssinn der damals entstand, ist in vielen Teilen heute noch zu spüren.
Damals gab es auch noch keine Wasserleitung, sondern es mussten Brunnen gebohrt werden. Einige sogar bis zu 20 – 30 m tief und das per Hand, eine fürchterliche Plackerei aber es nützte nichts, wenn man Trinkwasser haben wollte. Es wurden dann auch zwischen den Gärten Pumpenwege angelegt.
Auch die Wege waren zum Anfang die reinste Schlammwüste. Für die Kinder war das natürlich ein herrlicher Spielplatz. Zum Leidwesen der Eltern.
Um das Gelände zu entwässern wurden dann Gräben ausgehoben. Denn der Grundwasser Spiegel war sehr hoch. Ohne diese damals gebauten Gräben hätten wir heute immer noch einen viel zu hohen Grundwasserspiegel. Doch nicht nur der Grundwasserspiegel war ein Problem, sondern? wenn die Kollau mal wieder Hochwasser führte, stand fast die halbe Kolonie unter Wasser. Und das musste ja nach dem Hochwasser, so schnell wie möglich wieder abfließen, sollten nicht größere Schäden an Pflanzen und Lauben entstehen.
Trotz all dieser Widrigkeiten, hatte man gemeinschaftlich ein kleines Paradies geschaffen.
Doch leider ist es so, das 1933 eine dunkle braune Zeit anbrach, was zu dem Zeitpunkt noch keiner unserer Gartenfreunde ahnte war, das sich niemand vorstellen konnte, welche Katastrophe auf uns alle zukam. Als dann 1939 der Krieg begann, und viele unserer damaligen Gartenfreunde in den Krieg ziehen mussten, und viele ihr Leben ließen, war es zum Jammern zu spät.
Doch auch die nicht in den Krieg ziehen mussten, wurden nicht verschont. Durch den großen Feuersturm der 1943 über Hamburg kam, ist auch viel Leid über unsere Gartenfreunde hier zu Hause gekommen. Der Bombenhagel der über Hamburg nieder ging, veränderte nicht nur Hamburg, sondern auch unsere Kolonie. Auch bei uns gingen einige Lauben in Flammen auf, und einige Gartenfreunde mussten ihr Leben lassen.
Viele wurden plötzlich obdachlos. Aus der Not heraus entstanden jetzt nicht nur Gartenlauben, sondern Behelfsheime. Man musste ja irgendwo wohnen. Es gab dann ein 1000 Steine Programm, wer nicht gleich anfangen konnte, musste sein Kontingent an Steinen einem anderen überlassen. Fast alle Parzellen wurden jetzt bebaut, mal in Stein mal in Holz.
Auch jetzt ging es wieder los wo bekomme ich Bretter und Nägel her. Es begann der Tauschhandel zu blühen, wobei die Nichtraucher am besten zurechtkamen. Denn die Zigarettenwährung war die Beste. Auch der Eigenanbau von Tabak war eine lohnende Sache.
Und trotz aller Not, war der Schreber reich! Denn er hatte jetzt eine Bleibe, und er konnte sich Gemüse und Kartoffeln anbauen die er eben nicht auf Marken bekam. Auch wurden ein paar Kaninchen und Hühner gehalten. Was heute natürlich nicht mehr geht. Doch damals war es schon überlebenswichtig. So tauschte man sich durch die schwere Zeit.
Doch wie es immer ist, kommt auch meistens etwas daher womit man nicht gerechnet hat, 1955 als ein Mann auf einen Fahrrad durch die Kolonie fuhr. So was ist ja eigentlich nichts Ungewöhnliches. Doch leider war er vom Bauamt und das war ärgerlich. Die unbeschwerte Zeit wo man einfach drauflos gebaut hat, war plötzlich vorbei!
Zetern und Jammern nützte nichts, man musste sich mit ihm arrangieren, wenn es dann schon sein muss, stellten sich die Gartenfreunde so`n bisschen auf ihn ein.
Trotz all dieser Widrigkeiten in der Zeit, wurde unser Vereinshaus gebaut. Und das dieses Mal mit Baugenehmigung!! Und auch ein Parkplatz wurde gleich daneben angelegt. Und das alles in Eigenleistung. Da fragte keiner ob ich meine Stunden für die Gemeinschaftsarbeit schon erledigt habe?
Nein, der Gemeinschaftssinn war so groß, das jeder nach seinem Können und Fähigkeiten mit angepackt hat.
Diese Leistung der damaligen Gartenfreunde, vom ersten Spatenstich um das Wiesenstück urbar zu machen, bis zu Fertigstellung des Vereinshauses, war der Grundstein für unseren Verein sowie wir ihn heute kennen. Inzwischen sind wir keine Kleinsiedler oder Schrebergärtner mehr, sondern jetzt sind wir Kleingärtner. Der Namen ist jetzt KGV 303 Waldfrieden EV.
1966 kam die nächste Änderung. Mit Verabschiedung des Hamburger Kleingarten Gesetzes, konnten die Kleingärten mit Behelfsheimen nicht mehr vererbt oder verkauft werden. Das Wohnrecht war jetzt Personenbezogen. Die Konsequenz aus diesem Gesetz war, nach Versterben oder Auszug erlischt das Wohnrecht und das Behelfsheim muss abgerissen werden, auch wenn es ganz schmucke Häuser waren, die man in einem Kleingartenverein nicht vermutet hätte.
Nun gingen die Gartenfreunde nicht leer aus, nein es gab und gibt bis heute eine Billigkeitsentschädigung. Sie ist leider nur so hoch, wie die Abrisskosten. So dass die meisten auf die Entschädigung verzichtet haben, und Hamburg den Abriss übernommen hat.
Eine Regelung war natürlich möglich und sinnvoll, nämlich das, wenn einer auszog und ein Haus hatte, was von der Substanz sehr gut war, wurde einigen Gartenfreunden diese Parzelle angeboten, die ein Haus hatten mit einer schlechteren Bausubstanz. Dann wurde das Haus mit der schlechteren Substanz abgerissen.
Heute sind es nur noch 7 Dauerbewohner, von einst 150. Der Wandel war Gewaltig.
Natürlich war nicht immer alles Eitelsonnenschein, es gab auch Menschen, die nicht im Frieden leben können. Die gab es damals wie heute. Doch ist es uns bis heute auch gelungen, Menschen die sich in unsere Gemeinschaft nicht einfügen wollen, zu entfernen.
Und weil die meisten dann frei werdenden Parzellen über 500-600m² hatten, wurden die Parzellen geteilt, und Stichwege angelegt, damit man die so neugeschaffenen Parzellen auch erreichen kann. Ein erster Plan wurde 1956 schon erstellt.
Ein großer Umbruch vollzog sich. Ganz allmählich veränderte sich unsere Kolonie, vom Dauer bewohnten, zum Saison Garten. Hatten wir damals zirka 150 Parzellen, sind es heute schon fast 220.
Auf den Mitgliederversammlungen waren alle Mitglieder anwesend. Das war ein richtiges Gedränge und aus Platzmangel durften nur die Mitglieder kommen. Für Besucher oder Eheleute war kein Platz.
Wenn ich den Vergleich zu heute ziehe, sieht es sehr traurig aus. Heute sind wir schon glücklich wenn annähernd 100 Gartenfreunde anwesend sind. Viele der heutigen neuen Gartenfreunde haben die Bedeutung der Mitgliederversammlung noch nicht erkannt.
Vor zirka 25 Jahren 1991 nach dem der Spielplatz erneuert wurde, kam der Vorstand auf die Idee, wir wollen auf dem Spielplatz einen Marterpfahl für die Kinder haben. Ja die Kinder sollten ihren Marterpfahl zum Spielen bekommen, doch die Bedeutung der Figuren auf dem Marterpfahl, sollte für die Erwachsenen sein. Die Bedeutung der einzelnen Figuren soll deutlich machen, nur gemeinsam können wir die von uns geschaffene kleine Welt hochhalten.
Noch eine Änderung wurde zu der Zeit veranlasst. Da bis zu dem Zeitpunkt die Koloniewege keine Namen hatten, sollten sie jetzt Namen bekommen. Und das alles in Plattdeutsch. Die Wegeschilder wurden nicht einfach gemalt, nein sie wurden geschnitzt. Und da nicht alle Plattdeutsch können, wurden sie mit Symbolen versehen, so dass man so ein bisschen um die Ecke gedacht, den Namen erraten kann. Jetzt hatten endlich die Wege auch Namen. Dadurch wurde unsere Kolonie unverwechselbar. So etwas gab es bislang noch nicht in Hamburg.
2006 haben wir dann unser 75 jähriges Jubiläum gefeiert. Als Sommerfest, mit Jazzkapelle und allem was dazugehört. Es war ein schönes Fest. Und auch hier haben wir unter unserem Vereinsschild am Giebel unseres Vereinshauses, zum Jubiläum ein Schild angebracht, was symbolisch die damalige Zeit mit der Idylle, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht gesagt haben, und der heutigen Zeit, wo das Reh sich ab ducken muss, damit es nicht vom heute dominierenden Auto überfahren wird. Dieses Schild zeigt eigentlich den Wandel der Zeit von damals bis heute.
Trotz des ständigen Wandels hier auf der Kolonie, ist uns der Gemeinschaftssinn nicht abhanden gekommen. Wir hatten immer einen gut funktionierenden Vorstand und einen Festausschuss. Die Feste, die wir hier feierten, waren schon toll. Und bei den Kinderfesten waren die Gärten geschmückt, und dann wurden mit den Kindern Umzüge, mit geschmückten Bollerwagen durch die Kolonie gemacht, und mit einem Spielmannszug vorweg richtig viel Stimmung verbreitet. Den Vergleich zu heute sehen wir ja alle selber.
Ja sogar eine funktionierende Jugendgruppe hatten wir mit Ausflügen nach Sprötze und einmal wöchentliche Treffen. Damals wie heute ist es richtig, die Kinder sind unsere Zukunft.
Doch würden wir heute wohl keine Jugendgruppe mehr zu Stande kriegen, obwohl wir wieder über 70 Kinder auf der Kolonie haben.
Wir schaffen es noch nicht einmal ein Kinderfest zu veranstalten, weil die Anmeldungen so gering sind, dass es nicht zu verantworten ist. Selbst eine Kinder Weihnachtsfeier können wir nicht verantworten, weil die Anmeldungen zu gering sind, und das ob wohl wir wie schon bemerkt über 70 Kinder hier auf der Kolonie haben.
Die Nächste gravierende Veränderung kam schleichend.
Wir haben in der Vergangenheit gemeinschaftlich, eine Wiese urbar gemacht, wir haben Gräben ausgehoben, um das Gelände zu entwässern, ein Vereinshaus gebaut, einige Wasserleitungen verlegt und Wege gebaut. Und das alles gemeinschaftlich, ohne großes Aufheben zu machen. Wir Norddeutschen sagten schon immer, -watt mutt datt mutt! Wenn mal wieder wichtige Dinge anstanden, die für die Gemeinschaft von Bedeutung waren.
Doch irgendwann ist uns dieser Gemeinschaftssinn bei Einigen so ganz langsam abhanden gekommen. Wann es begann, kann man nicht sagen. Man kann nur Fragen stellen, wie etwa, ist es vielleicht der Zeitgeist? Wie manche sich so verhalten haben, als ob sie auf einem Campingplatz sind, wo man seine Platzmiete zahlt und der Rest wird vom Platzbesitzer erledigt. Nur die Platzbesitzer sind wir alle, und keine anonyme Person.
Oder ist es vielleicht die Zusammensetzung der Mitglieder?
Denn heute haben wir hier bei uns Türken, Rumänen. Bulgaren, Serben, Engländer, Portugiesen, Russen, Deutsche und andere. Und alle haben unterschiedliche kulturelle Hintergründe. Natürlich ist die Kommunikation untereinander manchmal schwierig. Vielleicht brauchen wir auch mehr Zeit um den Vielvölkerverein Waldfrieden und Kleine Waldecke zusammen zu schweißen.
Auch haben wir in den letzten 3 Jahren einen starken Generationswandel feststellen müssen.
So ist das Leben. Die Einen gehen und die Anderen kommen. Wir müssen nur drauf achten, dass uns die Werte und Ideale erhalten bleiben, die wir alle gemeinsam geschaffen haben. Dann wird es auch weiterhin eine lebenswerte Gemeinschaft geben. Wie gesagt, das wird sich auch nach 85 Jahren nicht ändern, denn es liegt an uns.
Nur gemeinsam können wir unsere kleine Welt erhalten und hoch halten.
In dem Sinne möge Waldfrieden auch weiterhin blühen und gedeihen, damit wir auch in Zukunft unser kleines Paradies genießen können.
Hamburg 2016 euer Heinz Petersen.